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Alltag formen! Bauhaus-Moderne in der DDR

23. November 2021

Funktional, langlebig und optimiert für die industrielle Massenproduktion: Der Alltag in der DDR war lange Zeit geprägt von Objekten, Möbeln, Techniken und Grafiken, die in der Tradition und für die Weiterentwicklung der Gestaltungsprinzipien des Bauhauses und der Klassischen Moderne stehen. Die Ausstellung „Alltag formen!“ im Berliner Werkbundarchiv – Museum der Dinge, in Kooperation mit dem Museum Utopie und Alltag in Eisenhüttenstadt, gewährt einen wundervollen Einblick in die Formgestaltung der alltäglichen Dinge in der DDR und erzählt deren Geschichten.


Von Thomas Geuder | Der Raumjournalist


Das Bauhaus, 1919 gegründet und 1933 zwangsgeschlossen, gilt bis heute als die prägendste Gestaltungsschule. Die damals entwickelten Ideen brachen mit vielen Traditionen und hoben das Design wie auch die Architektur auf ein radikal neues Niveau. Die Schließung der Institution bewirkte zwar das Ende der real existierenden Institution, doch die Idee des Bauhauses war geboren und von nun an aus der Welt nicht mehr wegzudenken. Wer als Gestalter*in mit dem Bauhaus groß geworden war, trug sie in die Welt hinaus. So auch im Westteil Deutschlands, wo das Fundament Bauhaus im Designkanon fest verankert war.

 


Leonid Pažitnov: Das schöpferische Erbe des Bauhauses 1919-1933, Berlin, Institut für angewandte Kunst, 1963

In der DDR gab es ebenfalls nach dem Krieg frühe Ansätze zur Wiederbelebung des Bauhaus-Erbes. Der SED allerdings erschien die modernistische Position des Bauhauses fragwürdig und seine Ästhetik als nicht konsensfähig. Zudem richtete sich die Kulturpolitik um 1949 nach dem sowjetischen Vorbild neu aus. Der „sozialistische Realismus“ und seine traditionalistische Ästhetik wurden als verbindlich festgeschrieben und modernistische Ansätze unterbunden. Erst ab Mitte der 1950er-Jahre setzte langsam ein Wandel ein, getrieben nicht zuletzt durch die Rationalisierung des Bauwesens. Unter Erich Honecker dann weitete sich ab 1971 der Begriff der „sozialistischen Nationalkultur“, zu der auch bald das Bauhaus gerechnet wurde. 1976 schließlich wurde der 50. Jahrestag der Einweihung des Dessauer Schulgebäudes mit einem Staatsakt begangen, was in der Folge zu einer Popularisierung, aber auch zu einer Instrumentalisierung des Bauhauses zur Rechtfertigung des zunehmend kritisch gesehenen industriellen Massenwohnungsbaus führte.

 


Club-Ledersessel auf Bandstahlgestell (angelehnt an den Barcelona-Chair von Mies van der Rohe), Entwurf: Rudolf Horn, Hersteller: Röhl, Potsdam, um 1965


Parallel zu diesen politischen bzw. ideologischen Entwicklungen vollzog sich seit Ende der 1950er-Jahre in der DDR eine breite Erneuerung des Konsumangebots. Eine Schlüsselrolle hatte dabei die auf Standardisierung beruhende industrielle Produktionsweise, bei der sich die Gestalter*innen im Grunde die gleiche Frage wie ihre Vorgänger*innen im Bauhaus stellten: Wie viel Individualität und Varianz lassen sich im Rahmen einer genormten Massenproduktion gewährleisten? Es galt, mit einem Minimum an Ressourcen ein Maximum an Bedürfnissen zu befriedigen. Neben dem Gebrauchswert war vor allem die Langlebigkeit ein zentrales Gestaltungsziel. Um modischen Überalterungseffekten vorzubeugen, wurde zu dem Mittel der visuellen Vereinfachung und funktionalen Reduktion gegriffen.

 


Entwurf: Paul Bittner, Fritz Keuchel, Tilo Poitz, 1980; Produktion: VEB Sachsenglas Schwepnitz (Entwurf basierend auf den Wirtegläsern von Margarete Jahny, Erich Müller, 1970)



Mokick Simson S50, Entwurf ab 1967: Karl Clauss Dietel, Lutz Rudolph, Herstellung ab 1974: VEB Fahrzeug- und Jagdwaffenwerk Suhl

Diesem Gedanken folgen etwa die von Rudolf Horn, Lutz Rudolph und Karl Klaus Dietel in den 1960er-Jahren entwickelten Gestaltungsansätze der konstruktiven Offenheit gegenüber sich verändernden Nutzungsansprüchen. Der als „offenes Prinzip“ und „lebendiger Funktionalismus“ bezeichneter Grundsatz der Langlebigkeit durch Variabilität findet sich beispielhaft im bekannten Mokick Simson S50. Auch die Verwendung neuer Werkstoffe führe zu Innovation: Christa Petroff-Bohne etwa erarbeitete ein auf Zylinder, Kegel und Halbkugel reduziertes Hotelgeschirr aus Edelstahl, das Silber zu ersetzen. Ab 1959 stelle die DDR weite Teile des Warenangebots auf Plaste (Plastik) um, um Haushaltsprodukte preisgünstiger zu machen. Manche wurden jahrzehntelang hergestellt, wie etwa das Kantinengeschirr aus Meladur von Albert Krause. Aus der Gastronomie nicht wegzudenken war auch das Keramikgedeck „Rationell“, bekannt auch als „Mitropa-Geschirr“, das von 1973 bis 1990 produziert wurde. Auch Glas wurde immer beliebter, Design-Ideen gründeten oft auf dem Bauhaus-Schüler Wilhelm Wagenfeld. Müller und Jahny entwarfen 1970 die „Wirtegläser“, die seit 1980 leicht abgewandelt als „Stapelgläser Superfest“ in der Gastronomie stark verbreitet waren.

 


Edelstahl Gastronomieserie ABS, Entwurf: Christa Petroff-Bohne, Hersteller: VEB Auer Besteck- und Silberwarenwerke (ABS), 1960er Jahre


Portionsschalen in Meladur, Entwurf: Albert Krause, 1959; Hersteller: VEB Preßwerk Auma

All das und viel mehr zeigt die Ausstellung „Alltag formen! Bauhaus-Moderne in der DDR“ in Berlin. Auch ein Besuch des Museums Utopie und Alltag in Eisenhüttenstadt lohnt, wo mit viel Liebe zum Detail in Sonder- und Dauerausstellungen die Alltagskultur in der DDR gewürdigt wird. Vor Kurzem hat das Museum außerdem die interaktive Plattform www.utopieundalltag-digital.de gestartet, in der zum kollektiven Austausch von Erinnerungen und Objektgeschichten eingeladen wird.

 

Alle Bilder: © Armin Herrmann für Museum Utopie und Alltag


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