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Pluralistisch statt singulär

30. April 2024

„Für mich bedeutet die Anerkennung des Raums die Anerkennung einer ganzen Gemeinschaft.“ Riken Yamamoto, 1945 geboren im chinesischen Beijing, lebt und arbeitet in japanischen Yokohama, wo er auch seine Ausbildung zum Architekten absolvierte. Als 53. Pritzker-Preisträger setzt er eine ganz besondere Erfolgsserie fort, denn er ist bereits der neunte Gewinner aus Japan.

 

von Barbara Jahn

 

Riken Yamamoto ist es in seiner langen, konsequenten und strengen Laufbahn gelungen, Architektur als Hintergrund und Vordergrund des täglichen Lebens zu schaffen. Er hat die Grenzen zwischen öffentlicher und privater Dimension verwischt und die Möglichkeiten für spontane Begegnungen zwischen Menschen durch präzise und rationale Entwurfsstrategien vervielfacht. Sein Ziel ist die Wertschätzung, Verbesserung und Bereicherung des Lebens der Menschen - vom Kind bis zum Greis – und, damit einhergehend, ihrer sozialen Beziehungen durch die hohe und beständige Qualität seiner Bauten. Er tut dies mit einer Architektur, die sich selbst erklärt, aber bescheiden und relevant ist, mit struktureller Ehrlichkeit und präzisen Maßstäben, eine Architektur, die sorgfältig auf die umgebende Landschaft achtet. Durch ihre modulare Struktur und die Einfachheit ihrer Form bringt seine Architektur seine Überzeugungen klar zum Ausdruck. Sie diktiert jedoch keine Aktivitäten, sondern ermöglicht es den Menschen, ihr Leben in den Gebäuden mit Eleganz, Normalität, Poesie und Freude zu gestalten.

 


Yokosuka Museum of Art, Yokosuka, Japan, 2006
Foto: © Tomio Ohashi

 

1968 schloss Yamamoto sein Studium an der Nihon University, Department of Architecture, College of Science and Technology ab und erhielt 1971 seinen Master of Arts in Architektur von der Tokyo University of the Arts, Faculty of Architecture. 1973 gründete sein Büro Riken Yamamoto & Field Shop. Seine persönliche Leitfigur war sein Vater, einem Ingenieur, von dem er nur wenig wusste – er war erst fünf Jahre alt, als dieser starb. Ein Schlüsselerlebnis in Sachen Architektur hatte er im Alter von 17 Jahren, als er den Kôfuku-ji-Tempel in Nara, Japan, besuchte, der ursprünglich im Jahr 730 erbaut und schließlich 1426 rekonstruiert wurde. Yamamoto war fasziniert von der fünfstöckigen Pagode, die die fünf buddhistischen Elemente Erde, Wasser, Feuer, Luft und Raum symbolisiert. „Es war sehr dunkel, aber ich konnte den hölzernen Turm sehen, der vom Licht des Mondes beleuchtet wurde, und was ich in diesem Moment entdeckte, war meine erste Erfahrung mit Architektur.“

 


Hiroshima Nishi Fire Station, Hiroshima, 2000
Foto: © Tomio Ohashi


Schon als junger Architekt verspürte er das Bedürfnis, seine eigene Ausbildung mit einem wirklichen Verständnis des „Anderen“ abzuschließen und unternahm ausgedehnte Reisen. Dabei ging es ihm nicht vorrangig um die Besichtigung berühmter Bauwerke, sondern darum, die Kultur und das Alltagsleben von Gemeinschaften auf anderen Kontinenten aus erster Hand kennen zu lernen. Von Nord- bis Südamerika, vom Mittelmeerraum bis zum Nahen Osten und Asien hat Yamamoto die Wurzeln und die Geschichte des gemeinschaftlichen Lebens erforscht, um seinen eigenen Beitrag zur Modernisierung zeitgenössischer Stäedt durch Architektur zu leisten. Für ihn hat ein Gebäude immer eine öffentliche Funktion, auch, wenn es privat ist.

 


The Circle am Zürich Airport, Zürich, Schweiz, 2020
Foto: © Flughafen Zürich AG

 

Riken Yamamoto setzt sich in seinen Projekten ganz bewusst mit den unterschiedlichsten Typen und Größen von Gebäuden auseinander. Unabhängig davon, ob er private Wohnhäuser oder öffentliche Infrastrukturen, Schulen oder Feuerwachen, Rathäuser oder Museen entwirft, ist die gemeinschaftliche und soziale Dimension immer präsent. Seine konstante, sorgfältige und substanzielle Aufmerksamkeit für Gemeinschaft hat öffentliche, interagierende Raumsysteme hervorgebracht, die Menschen zu unterschiedlichen Begegnungen anregen und inspirieren.

 


Nagoya Zokei University, Nagoya, Japan, 2022
Foto: © Shinkenchiku Sha

 

Riken Yamamoto ist kein Architekturhistoriker, aber er schöpft seine Erkenntnisse und lernt aus der Vergangenheit sowie aus den verschiedenen Kulturen. Als Architekt kopiert er die Vergangenheit nicht, sondern er passt sie an, er verwendet sie neu und entwickelt sie weiter, um zu zeigen, dass die Grundlagen per se nicht an Relevanz verlieren. Yamamoto hat den Werkzeugkasten seines eigenen Berufsstandes sowohl in Richtung Vergangenheit als auch in Richtung Zukunft erweitert, um jeweils auf sehr verschiedene Weise und in sehr unterschiedlichen Maßstäben die geeignetste aller möglichen Antworten auf die Herausforderungen der gebauten Umwelt und des kollektiven Lebens geben zu können.

 


Shinonome Canal Court CODAN, Tokyo, Japan, 2003
Foto: © Tomio Ohashi

 

Ein wesentliches Element in seinem Werk ist die Transparenz, und zwar in Form, Material und Philosophie. Mit der Entwicklung von Ryokuen-toshi, Inter-Junction City (Yokohama, Japan, 1994) hat er einen städtebaulichen Ansatz etabliert, der die Entwicklung als ein wesentliches Merkmal des Lebens zeigt. Unabhängig von der Identität oder der Funktion eines Gebäudes gilt die Regel, dass alle Gebäude einen Durchgang durch ihren Standort ermöglichen müssen. Dadurch sollen die angrenzenden Grundstücke zusammengehalten und benachbarte Eigentümer zusammengebracht werden. Durch die Anpassung seiner architektonischen Sprache an Projekte wie die Saitama Prefectural University (Koshigaya, Japan, 1999) und die Tianjin Library (Tianjin, Republik China, 2012) stimuliert er weiterhin Gesellschaften in großen Gebäuden und beweist damit seine Beherrschung des Maßstabs.

 


Pangyo Housing, Seongnam, Republik Korea, 2010
Foto: © Kouichi Satake

 

Yamamoto überdachte die Grenzen zwischen öffentlichem und privatem Raum als soziale Chance. Er vertritt die Überzeugung, dass alle Räume eine ganze Gemeinschaft bereichern und ihr dienen können, nicht nur denen, die sie bewohnen. In diesem Sinne begann er auch, Einfamilienhäuser zu entwerfen. Sie sollten die natürliche und die gebaute Umwelt miteinander verbinden und sowohl Gäste als auch Passanten willkommen heißen. Sein erstes Projekt, die Villa Yamakawa (Nagano, Japan, 1977), ist nach allen Seiten offen und liegt mitten im Wald, so dass sie wie eine Terrasse im Freien wirkt. Diese Erfahrung beeinflusste sein weiteres Schaffen: Mit Hotakubo Housing (Kumamoto, Japan, 1991) erweiterte er den sozialen Wohnungsbau und schlug eine Brücke zwischen Kulturen und Generationen.

 


Future University of Hakodate, Halodate, Japan, 2000
Foto: © Isao Aihara


Als Japan 2011 von einer Naturkatastrophe heimgesucht wurde, wurde seine Arbeit immer produktiver und vielfältiger und reichte von Privathäusern bis hin zu öffentlichem Wohnungsbau, von Grundschulen bis hin zu Universitätsgebäuden und von Institutionen bis hin zu öffentlichen Plätzen. Nach dem Tōhoku-Erdbeben und dem Tsunami gründete er das Local Area Republic Labo, ein Institut, das sich durch architektonische Gestaltung für die Gemeinschaft einsetzt. 2018 rief er den Local Republic Award ins Leben, um junge Architekten zu ehren, die sich mit Mut und Idealen für die Zukunft einsetzen. Mit dem Pritzker-Preis, den er nun 2024 erhielt, wird sein architektonisches Lebenswerk schließlich gekrönt.

 


Jian Wai SOHO, Beijing, China, 2004
Foto: © Tomio Ohashi



Yokosuka Museum of Art, Yokosuka, Japan, 2006
Foto: © Tomio Ohashi



Tianjin Library, Tianjin, China, 2012
Foto: © Riken Yamamoto & Field Shop



Nagoya Zokei University, Nagoya, Japan, 2022
Foto: © Shinkenchiku Sha



Yamakawa Villa, Nagano, Japan, 1977
Foto: © Tomio Ohashi



Ecoms House, Tosu, Japan, 2004
Foto: © Shinkenchiku Sha

 

 

 

 

 

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