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Vor lauter Wald den Baum immer noch sehen

28. Mai 2024

Sebastian Bildau wird einer der Gastredner auf der ARCHITECT@WORK in München. Und er hat viel zu erzählen, denn seine Ausbildung war besonders vielfältig, sein Wissensschatz enorm. Besonders über den Holzbau, Stadtverdichtung und was es mit den drei „P“s auf sich hat. Hier schon ein Vorgeschmack.


Von Barbara Jahn


Warum sind Sie Architekt geworden?

 

Ich hatte ein besonderes Schlüsselerlebnis. Nach meiner Schulzeit war ich in Glasgow unterwegs – damals Kulturhauptstadt – und hatte dort eine Ausstellung gesehen von Future Systems. Ich kann mich daran erinnern, dass alles in Pink und Neongelb gehalten war und mitten drin die schönen weißen Architekturmodelle. Das hat mich echt beeindruckt. Auch die amorphen Formen, die so ein krasser Gegensatz zur praktisch ausgelegten Architektur in Deutschland zu sein schien. Die Monografie von Marcus Field war auch mein erstes Architekturbuch.

 

Dann war es also nicht schon immer der Kindheitstraum…

 

Ich hatte damals noch gar nicht studiert, entschied mich dann aber spontan für das Architekturstudium in München, wo ich den ersten Abschnitt absolvierte. Die Ausbildung war sehr technisch, ich hatte aber den Drang noch weiter zu gehen und mich mehr auf Design und Gestaltung zu konzentrieren. So ging ich für ein Praktikum zu Asymptote in New York, danach ging ich nach Wien zu Greg Lynn an die Angewandte. Dazu kam auch ein Gastsemester an der AHO - Oslo School of Architecture and Design, wo gerade Charles Waldheim unterrichtete. Er beschäftigt sich mit Landschaftsurbanismus und setzte sich damals mit uns mit postindustriellen Gebieten auseinander. Unsere Aufgabe war es, nicht nur klassische Konzepte für Landschaftsarchitektur zu entwickeln, sondern es mit einem Wirtschaftsmodell zu kombinieren. Das Ziel war es, dieses Gebiet über einen langen Zeitraum weiterzuentwickeln. Unser Plan war es damals, den Baum als Medium für die Entwicklung einzusetzen. Aus einer eingangs geplanten Baumschule sollte sich nach 20 Jahren ein Landschaftspark entwickeln.

 

War das ein rein botanisches Projekt?

 

Ja. Und es war sehr detailliert ausgearbeitet. Zu Beginn sollten dort Christbäume gepflanzt werden, die dann geerntet werden. Dazu sollten auch schnellwachsende Bäume wie Birken und Pappeln gesetzt werden. Der Hintergedanke dabei war auch, dass diese Bäume Schwermetalle aufnehmen und das Gebiet auf diese Weise reinigen würden. Ich nenne es auch noch heute mein „erstes Holzbauprojekt“.

 


Auto.Forest Detroit
Visual: © Sebastian Bildau und Erik Stenman

 

Warum eigentlich gerade Holzbau?

 

Für mich ist es wichtig, dass man sich nicht nur mit dem fertigen Holzbauprodukt auseinandersetzt, etwa Brettschichtholz, sondern mit der Frage „Wie kommt der Baum in die Stadt?“ Das impliziert natürlich auch, wie wird der Wald bewirtschaftet, wie funktioniert der Waldumbau. Wenn man Hochhäuser aus Holz baut, sieht man sich oft mit der Frage konfrontiert, ob wir tatsächlich so viel Holz haben. Insofern setzen wir uns viel mit Holzarten auseinander, auch um besser entscheiden zu können, welches Holz wir am besten einsetzen in unseren Projekten. Wird es geleimt, gefügt, wie kommt es in die Stadt, wie wird es wieder zerlegt. All das sind wichtige Punkte, die einem Projekt vorausgehen.

 

Was sind Ihre Schwerpunkte Ihres Büros?

 

Eines unserer Mottos lautet „People. Planet, Profit“. Das heißt, wir versuchen Mensch und Natur in Einklang zu bringen. Bei OSA beginnen wir jetzt so richtig mit dem Holzbau. Aktuell planen wir für den Projektentwickler neuplan ein Gebäude für das Bayrische Rote Kreuz, ein Holz-Hybridbau, aber es sind einige weitere bereits in Planung. Darunter ist auch eine Studie für ein 140 Meter hohes Gebäude mit klarem Fokus auf Holzbau und – noch weiter gefasst – auf nachwachsende Rohstoffe. Wir möchten uns breit aufstellen und nicht nur auf Holzbau beschränken. Das setzt voraus, dass wir recht undogmatisch sind, weil wir sehen müssen, welches Material an welcher Stelle am meisten Sinn macht. Wir möchten den Beton nicht verteufeln, aber wir bemühen uns Alternativen zu finden. Das ist nicht immer ganz einfach, da es speziell für die hohen Gebäude oft Sondergenehmigungen braucht. Je komplexer, desto weniger Holz ist drinnen – das ist eine Tatsache. Deshalb nennen wir es auch Holz(Hoch)Häuser. Dieses Jahr haben wir uns den Schwerpunkt Holz(Hoch)Häuser für den Stadtumbau, das ist auch der Titel meines Vortrags. Es geht darum möglichst viel zu erhalten, sowohl horizontal als auch vertikal, die Strukturen weiterzubauen und nur da mit Neubauten anzusetzen, wo es unbedingt notwendig ist.

 


Kistlerhofstraße
Visual: © OSA Ochs Schmidhuber Architekten im Auftrag von neuplan

 

Ist für Sie Kreislaufwirtschaft ein Zukunftsmodell?

 

Auf jeden Fall. Allerdings kommt es darauf an, auf welche Bauteile man sich bezieht. Im Prinzip ist die Zirkularität dem Holzbau inhärent, weil dieser kommt als vorgefertigtes Modul auf die Baustelle. Rückbauen ist vielleicht manchmal schwieriger als das Aufbauen. Aber bei der Struktur liegt der Fokus eigentlich darauf, das Gebäude stehen zu lassen. Holzbauten können – wenn sie richtig geplant sind – mehrere Jahrhunderte stehen. Es gibt aber schon einige Hersteller, die das Material auch wieder zurücknehmen und dementsprechend das Kreislaufmodell unterstützen. Es geht vielleicht in die Richtung, dass man Produkte oder in diesem Fall Materialien „verleiht“. Im Moment ist das noch eher schwierig umzusetzen, da muss noch viel Entwicklungsarbeit hineingesteckt werden. Deshalb haben wir einen weiteren Schwerpunkt in unserem Büro, nämlich die Bauteile in Zwiebeltaktik so aufzusplitten, dass eine Trennung in die ursprünglichen Elemente besser möglich ist. Es ist unsinnig, wenn bei der Lebenszyklusanalyse so klassifiziert wird, dass am Ende das CO2, das das Material zuerst aufgenommen hat, bei der Verbrennung auf der Deponie wieder freigelassen wird. Was auf jeden Fall wichtig ist, dass das kreislauffähige Bauen mit möglichst kurzen Transportwegen kombiniert wird. Bei Holzbauteilen ist das leider oft nicht der Fall, da die Teile woanders gefertigt werden als die Bäume gefällt werden.

 

Genauso wie man mit den Materialressourcen umgehen sollte, sollte auch mit den Bodenressourcen umgegangen werden. Wie begegnen Sie diesem Thema?

 

Es muss nicht immer zwingend hoch sein – deshalb haben wir es auch in Klammern gesetzt. Aber es kommt auf den städtebaulichen Kontext an. Im OSA Lab haben wir letztes Jahr ein Konzept zur Nachverdichtung in der Stadt entwickelt, das vorsieht, mehr in die Vertikale zu bauen. Manchmal geht das ganz klassisch mit der Aufstockung von Gebäuden, wo das möglich ist. Aber es geht auch in der Horizontalen, wo noch Platz auf einem Grundstück ist und man hier erweitern kann. Ein Beispiel ist ein 40 Meter hohes Bestandgebäude, an das zwei Baukörper seitlich hinzugefügt werden. Klar ist: Man muss stark verdichten. In München gibt es Projekte, die neu errichtet werden, aber meiner Meinung nach nicht dicht genug sind. Es ist möglich, sein Einfamilienhaus zu haben, das jedoch in eine größere Struktur gepackt sein muss, um Synergien zu nutzen. Ich vergleiche das gerne mit einem Holzregal. So betrachten wir als OSA die Holz (Hoch) Häuser nicht nur aus der Perspektive des Holzbaus, sondern auch aus nachhaltiger und zirkulärer Sicht in der Nutzung.

 


Meglingerstraße
Visual: © OSA Ochs Schmidhuber Architekten im Auftrag von neuplan

 

Es gibt ja das Cluster-Wohnmodell, das noch viel weiter geht. Ist das für Sie zukunftsfähig?


Ich denke schon, auch wenn es noch viel radikaler ist. Das ist nicht für jeden etwas. Es hängt wahrscheinlich auch von der Lebensphase ab, in der man sich befindet: in der Studentenzeit und im Seniorenalter wahrscheinlich eher als wenn man gerade Familie hat. Wir schauen immer, was die Bauherr*innen brauchen und die Nutzer*innen sich wünschen. Zuhören ist ganz wichtig. Da eignen sich Workshops sehr gut. Wir fragen zum Beispiel bei Holzbauten immer, ob ein „White Cube“ gewünscht wird oder ein Holzbau, den man an allen sechs Flächen als solchen erkennen kann. Jeder hat eine andere Vorstellung von Holzbau – eine Betonhülle mit Holzfassade ist für manche schon Holzbau. Ein wichtiges Thema ist natürlich der Brandschutz. In Zentraleuropa haben wir mehr Möglichkeiten für den Holzbau als beispielsweise in Amerika, weil die Dimensionen ganz andere sind.

 

Sie sagen, ein Hochhaus ist nicht die Wiederholung des immer gleichen Geschosses, Wie gelingt so etwas?

 

Wir haben zum Beispiel ein Konzept für ein Wohnhochhaus entwickelt, das zwar den gleichen Grundriss wiederholt, allerdings zueinander verdreht. Das hat den Grund, um mehr Grünraum in den Geschossen zu schaffen. Je höher und je größer das Gebäude ist, umso mehr Nutzungen werden angeboten. Im Münchner Hochhaus haben wir eine Mischung aus Startup Spaces, Geschäfte, Cafés und Kultureinrichtungen im Sockelbereich, dann die Wohnungen. Dort versuchen wir die Natur ins Haus zu holen und so das Einfamilienhaus in einer dichten Struktur umzusetzen. Oben schließt ein Hotel ab. Neben den gemeinschaftlichen Sekundärfunktionen wie Wellness, Kino, Waschküche etc. haben wir auch verschiedene Wohnformen angeboten. Dazu nutzen wir die Flexibilität des Skelettbaus, dessen leicht veränderbare Struktur zwar mehr kostet durch mehr Innenausbau, aber in der Nutzung wesentlich nachhaltiger ist. Bei einer Tiefe von sieben bis neun Metern hat man viele Möglichkeiten, den Raum variabel zu gestalten. Eine Möglichkeit mehr Varianz zu generieren, ist, statt einem Kern, beispielsweise zwei Kerne zu planen und die Struktur dann dazwischen hineinzuhängen. Wir haben einen großen Studienfundus, aus dem wir schöpfen können.

 


Holzhybridhochhaus, Studie
Visual: © Sebastian Bildau

 

„Bioclimatic Design“ – was genau versteht man darunter?

 

Vereinfacht gesagt: Entwerfen mit der Natur für den Menschen. Da komme ich wieder auf „People, Planet, Profit“ zurück. Das vereint die Klimafrage, die Menschen und leistbares Bauen. Im Holzbau kann man das relativ einfach umsetzen, weil man mit nachwachsenden Rohstoffen arbeitet. Wo es leistbar ist, versuchen wir die Materialien immer offen zu lassen, damit Holz, Lehm, Stroh und Zellulosedämmung atmen können, diffusionsoffen bleiben und nicht unter Farbschicht und Dampfsperre ersticken. Dazu kommt die olfaktorische und visuelle Wirkung: Holz ist ein warmes Material, das das Wohlbefinden, Genesungsprozesse und Gesundheit stark beeinflusst. In Amerika war die erste Frage immer „Wieviel kostet es mehr und was sind die Benefits?“, abgesehen von der raschen Abwicklung der Baustelle und der technischen Parameter wie leisere Akustik etc. Deshalb möchten wir mit dem Begriff „bioklimatisch“ auch die „soften“ Faktoren herausstellen. Im Fokus steht immer das Wohlfühlen, denn wir bauen Häuser, um uns vor den Elementen zu schützen.

 


Mass Timber Vertical Farm Demonstrator
Visual: © Sebastian Bildau

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Wie kann man als Architekt all diese Ideen und Ansprüche unter einen Hut bekommen?

 

Am Anfang legt man den Maßstab bei seinen Zielen immer ganz hoch an und man versucht, es so gut wie möglich umzusetzen. Aber man muss Abstriche machen, weil es das Budget, die Bauordnung oder die Vorstellung des Bauherrn nicht erlaubt. Ein gutes Beispiel dafür ist die Flächeneffizienz. Im Holzbau sind die Stützen oder Wände immer ein bisschen dicker – da muss man dann einen vernünftigen Mittelweg finden. Wir versuchen das immer so zu lösen, indem wir verschiedene Modelle aufzeigen, etwa wie sieht das Gebäude mit Beton- oder Stahlstruktur aus und wie in Holz. Meistens liegt die Lösung irgendwo dazwischen. Es braucht jedenfalls viel Elan und Überzeugungsarbeit, die da reinfließen. Aber je öfter man das macht, umso mehr Menschen kann man begeistern. Man hat schließlich schon mehr Erfahrung und kann Rückschlüsse aus bereits realisierten Projekten ziehen. Man muss die Leute abholen. Mir macht es großen Spaß und meistens kommt auch etwas Gutes dabei raus.

 

Was möchten Sie bewegen?

 

Dass wir im Bau des 21. Jahrhunderts ankommen. Das heißt, mit so vielen natürlichen Baustoffen wie möglich zu bauen, zirkulär bauen, Städte lebenswert machen mit möglichst wenig Fläche für Autos und mehr Gehwegen, aber auch bioklimatisches Bauen für ein besseres Wohnen und Arbeiten. Was ich auch denke, ist, dass man als Planer oft in seiner Mindset-Bubble ist und gar nicht sieht wo die Bedürfnisse liegen. Deshalb sind das Zuhören und der Dialog so wichtig, einfach ein partizipatives Verfahren. Das muss man auch den Bauherren ein bisschen mitgeben, dass „Fast-Track-Projects“, also superschnell, supereffizient und profitmaximiert, nicht die beste Lösung sind. Auch die anderen zwei „P“ – People und Planet – müssen damit immer in Einklang stehen.

 


Skizze Holz(Hoch)Häuser für den Stadtumbau 
Visual: © Sebastian Bildau


Hier erhalten Sie mehr Infos zum Vortrag von Sebastian Bildau am Donnerstag, den 6. Juni um 14:00 Uhr auf der kommenden ARCHITECT@WORK München. 

Vor lauter Wald den Baum immer noch sehen
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